Heute spreche ich explizit Frauen an. Wenn Du Dich nicht als Frau definierst, kann der Blogbeitrag allerdings trotzdem interessant für Dich sein, weil er sich um Erwartungen an unsere Mitwelt dreht.
Ich bin in den Achtzigern geboren. Meine Kindheit war geprägt von Märchen und Disneyfilmen. Meine Pubertät war mitunter geprägt von Boygroups.
In den Märchen und Disneyfilmen gab es sehr oft den starken, furchtlosen Ritter in der glänzenden Rüstung auf seinem Ross, der die hilflose Prinzessin retten musste.
In den Songs diverser Boygroups wurde mir von diesen jungen Männern ins Ohr geflüstert, dass sie für mich alles tun, mich auf Rosen betten, für mich bis ans Ende der Welt und wieder zurückreisen würden und so weiter.
Ich habe nie mit anderen Mädchen oder Frauen über das pubertäre Gefühl einer Boygroup-Schwärmerei gesprochen: Man wünscht sich diese Person herbei, damit sie für immer bei einem sei. ‚Denn wenn diese Person da ist, wird immer alles gut sein.‘ Ungefähr so, würde ich das Gefühl beschreiben.
So prägt sich in zwei wichtigen Entwicklungsphasen des Lebens das Bild ein, dass man als Frau einen Mann an der Seite braucht.
Natürlich ändern sich die Zeiten. Ich hoffe, dass in der Zukunft Mädchen und junge Frauen mit emanzipierteren Märchen, Filmen und Songs aufwachsen, als es in meiner Generation der Fall war, denn …
… Warum greift die Prinzessin nicht selbst zum Schwert, kämpft erfolgreich gegen den Drachen und reitet auf dem hohen Ross in den Sonnenuntergang?
… Warum lernt sie nicht, selbst aus dem hohen Turm nach unten in ihre Freiheit zu klettern?
… Warum reist sie nicht selbst bis ans Ende der Welt und wieder zurück?
… Warum wird sie nicht selbst aktiv?
Unsere Erziehung und unsere (Aus)Bildung sind an unsere Gesellschaft, an unsere Kultur gebunden. Sie sind aus der Vergangenheit erwachsen. Und somit stecken immer vergangene Rollenvorstellungen darin.
Jede Generation hat die Möglichkeit es anders zu machen. Und somit andere Vorbilder für zukünftige Generationen zu sein.
Wenn ich als Frau ewig auf den Mann warte – der mich über die Türschwelle trägt, mich auf Rosen bettet, mir die Welt zu Füßen legt, ich selbst aber auf ewig passiv, inaktiv bleibe und das alles und noch mehr vom Mann erwarte – dann lasse ich meine Lebenszeit an mir vorbeistreichen, ohne gelebt zu haben.
Wenn ich einen starken Partner an meiner Seite haben möchte, sollte ich mich ebenso selbst darin fördern, stark zu sein (ob physisch oder mental). Wenn ich auf Rosen gebettet werden möchte, sollte ich mir selbst, wenn es mich glücklich macht, Blumen schenken. Wenn ich will, dass mir die Welt zu Füßen liegt, sollte ich selbst darauf hinarbeiten, eines Tages diesen Gipfel zu erklimmen.
Ich habe gelernt, dass ich mit dem, was ich von anderen erwarte, zuerst bei mir selbst anfangen muss: Vorbild zu sein und Verantwortung für mich und mein Leben zu übernehmen.
Wir können also ewig auf den strahlenden Ritter in der glänzenden Rüstung auf seinem Ross warten. Oder wir ziehen uns die Rüstung selbst an und lernen reiten und kämpfen. Und wenn wir dabei in den Dreck fallen, stehen wir einfach wieder auf und machen weiter, bis wir diesen Schritt gemeistert haben.
Und eines dürfen wir dabei nicht vergessen: Uns gegenseitig dabei zu unterstützen.
Eure Angela
